Unter Männern ­– Das Essener Pilotprojekt „black + male“

Afrikanischer Mann vor Sonnenuntergang

Wie in den meisten Ländern Afrikas ist HIV auch in den afrikanischen Communities in Deutschland ein großes Tabu. Besonders die Männer tun sich schwer damit. Das Essener Pilotprojekt „black + male“ versucht deshalb ganz eigene Wege der Prävention. Von Axel Schock

HIV ist reine Frauensache.“ So fern der Lebensrealität diese Einschätzung auch sein mag: Sie sitzt fest in den Köpfen vieler afrikanischer Männer. Wenn, dann tragen Frauen das Virus in sich und verbreiten es, folglich liegen auch Schuld und Verantwortung allein bei ihnen. Diese Sichtweise macht es HIV-Präventionisten wie Pierre Kembo Mayamba nicht gerade einfach. Der Sozialberater der Essener AIDS-Hilfe ist in den zurückliegenden Jahren immer wieder Männern aus Afrika begegnet, die so die Infektionsgefahr für sich ausgeblendet hatten und sich irgendwann mit einem positiven Testergebnis konfrontiert sahen.

„Viele afrikanische Männer halten sich für unverwundbar“

„Viele Afrikaner wissen das Leben durchaus zu genießen. Sie feiern gern und haben ein ausgeprägtes Sexleben, auch mit mehreren Partnerinnen. Weil sie körperlich meist sehr robust und gut gebaut sind, halten sie sich für unverwundbar“, sagt Mayamba. Viele erfahren von ihrer HIV-Infektion daher erst zu einem sehr späten Zeitpunkt, wenn es bereits erste schwere Krankheitssymptome gibt. Doch wie erreicht man diese Männer, um sie über Infektionsrisiken und Schutzmöglichkeiten aufzuklären? Und auch, um ihnen verständlich zu machen, dass HIV nicht nur Afrikanerinnen, sondern auch sie als Mann betrifft?

Bei Fußballturnieren mit Männern ins Gespräch kommen

Pierre Kembo Mayamba hat deshalb für die Essener AIDS-Hilfe mit „black + male“ ein europaweit einmaliges Projekt entwickelt, mit dem er Gesundheitsthemen im besten Sinne des Wortes an den Mann bringen kann. Seit drei Jahren ist der aus Zaire stammende Präventionist in der afrikanischen Community in und um Essen unterwegs. In dieser Region leben rund 4.000 Menschen mit afrikanischen Wurzeln. Weil afrikanische Männer niemals von sich aus den Weg in eine HIV-Beratungsstelle oder gar in die Aids-Hilfe finden würden, schafft Mayamba Freizeitgelegenheiten, um dort mit ihnen ins Gespräch zu kommen: zum Beispiel bei kulturspezifischen Programmen für Männer oder bei Fußballturnieren. Auch mit den Betreibern von Diskotheken, die besonders von afrikanischen Männern frequentiert sind, arbeitet Mayamba zusammen. Bei solchen Anlässen haben er und sein Team ein Ohr für Sorgen aller Art. Ganz gleich, ob es um Probleme mit der Wohnung, der Ausländerbehörde oder dem Jobcenter geht: Sie beraten und versuchen, zu helfen.

„Ich hatte anfangs nicht gedacht, dass es so toll laufen könnte“

„Die Männer merken, dass wir für sie da sind und finden dadurch Vertrauen. Und dann ergibt sich irgendwann fast von selbst die Möglichkeit, über alles andere zu sprechen: über ihren Lebensstil und mögliche Gesundheitsrisiken, über den HIV-Test und über Vorsichtsmaßnahmen.“ Der Einsatz und die lange Aufbauphase haben sich gelohnt. 

 Nach kaum drei Jahren hat sich das von der Deutschen AIDS-Stiftung finanziell unterstützte Projekt  als niedrigschwelliges Beratungsangebot erfolgreich etabliert. „Ich hatte anfangs nicht gedacht, dass es so toll laufen könnte und die Menschen sich so öffnen würden“, berichtet Mayamba. Wie der Name „black + male“ ja bereits unmissverständlich signalisiert, richtet sich das Angebot an alle schwarzen Männer, und zwar unabhängig von ihren sexuellen Präferenzen. Das ist nicht unbedeutendes Detail. „Die Tatsache, dass ein Mann mit einem anderen Mann Sex haben kann, existiert in unserem Kulturverständnis einfach nicht“, sagt Clement Matweta, Organisator des Essener Caritas-HIV-Beratungsprojekts „African Rainbow“.

„Selbstverständlich gibt es auch unter Afrikanern schwule Männer, aber sie schämen und verstecken sich. Folglich sind sie für die Prävention auch nur schwer zu erreichen.“ Das Projekt „black + male“ ist daher eine der wenigen Möglichkeiten, auch an diese Männer heranzukommen, ohne dass sie sich damit als Schwule oder Bisexuelle enttarnt fühlen.

Und vielleicht sind sie eines Tages auch so stark und gefestigt, dass sie offen zu ihrer Homosexualität stehen können. Mayamba ist aus gutem Grund optimistisch. „Wir haben es erst neulich in unserer Arbeitsgruppe zur Vernetzung von HIV-Projekten in der afrikanischen Community erlebt: Einer der Netzwerk-Mitstreiter hat den Mut gehabt, sich uns gegenüber als schwul zu outen. Das war für uns alle eine tolle und schöne Überraschung. Er ist natürlich eine Ausnahme, aber wir brauchen genau solche Ausnahmemenschen, um andere zu inspirieren und motivieren.“